Galeristin über Nacht
Leinwände von Thai Ho Pham |
von Franziska Nicolay
Jahr: 2012, Woche: 31
Für das Projekt Anna25 stellt Kunstgeschichtsstudentin Anna Franek die Werke befreundeter Künstler in Privatwohnungen aus. 25 Stunden lang, von neun Uhr morgens bis zum nächsten Tag um zehn. Ein Besuch
Eine Galerie, schwarz-weiße Bilder an den kahlen Wänden. Alles in einem hellen, fast steril wirkenden Raum. Im Nebenraum findet man eine Küche, im Vorraum eine Garderobe. Es ist kein gewöhnlicher Ausstellungsraum, sondern eine Galerie in einer Privatwohnung. Durch diese Einzimmerwohnung in Giesing bewegt sich Anna Franek. Ganz langsam. Sie hält sich zurück, bleibt im Hintergrund. Doch ihr farbenfrohes Kleid bewirkt dann doch das Gegenteil, Anna fällt auf. Vielleicht gehört ihr Aussehen zu dem, was sie sein möchte: eine richtige Galeristin.
Anna25“ heißt ihr Galerie-Projekt, das sie zum zweiten Mal, diesmal in der Wohnung eines Freundes, veranstaltet. Jedes Vierteljahr, immer am 25. eines Monats und immer 25 Stunden lang, eröffnet sie das temporäre Projekt.
Anna Franek beschließt bereits in der neunten Klasse, Galeristin werden zu wollen. „Ich habe mich schon immer für Kunst interessiert, habe auch viel gemalt“, sagt die gebürtige Polin mit leichtem Akzent. Ihr fällt aber schnell auf, dass ihr die Kreativität, die Leidenschaft fehlt, eigene Werke zu erschaffen. Die Leidenschaft für die Kunst anderer überwiegt. „Ich habe dann den Kunst-Leistungskurs gewählt, weil ich unbedingt später als Galeristin Fuß fassen wollte“, sagt die jetzige Kunstgeschichtsstudentin. Für den Leistungskurs, für das Studium, dazu hat sie sich bewusst entschieden. Schon nach dem Abitur ging es ins Ausland, genauer gesagt nach Krakau, um schon mal Erfahrungen im Museumsbetrieb zu sammeln. Es folgten Paris und Dublin, wo sie in Galerien arbeitete.
Auch in München jobbt sie neben dem Studium in einer Galerie, knüpft dadurch schon einige Kontakte in der Kunstszene. Ein Gespräch mit einem befreundeten Künstler bringt sie auf die Idee, eigenständig eine Galerie zu betreiben. „Er hat mich gefragt: ,Was brauchst du für eine Galerie? Wände und Nägel.‘ Und ich hatte Wände und Nägel“, sagt sie. Anna redet so schnell, dass sie Gefahr läuft, einzelne Wörter zu verschlucken. Einen Monat Zeit hat sie, um ihr erstes eigenes Galerie-Projekt umzusetzen. Ihr Geburtstag gibt dann den Anlass zu dem 25-Konzept. Im April wird sie 25, also soll das Galerie-Projekt auf den 25. des Monats fallen und 25 Stunden dauern. „Ich fand die Idee ganz witzig und außerdem hätte ich zum Beispiel nicht einen Monat lang eine Ausstellung stemmen können“, sagt sie. Aber auch so ist es anstrengend genug: Die Ausstellung dauert 25 Stunden, Anna ist von neun Uhr morgens bis zum nächsten Tag um zehn in der Galerie anzutreffen. Zwischendurch kann sie schon ein Nickerchen machen, aber es klingelt um zwei Uhr nachts, ein Bekannter. Und am frühen Morgen um halb zehn kommt auf den letzten Drücker noch eine junge Frau mit ihren Kindern.
Im Abstand von drei Monaten finden nun die Anna25-Galerien ein Plätzchen, zuerst in ihrer eigenen Wohnung, die zweite jetzt in der Wohnung eines befreundeten Künstlers. „Bei mir war es wohnlicher und familiärer, da hätte die jetzige Ausstellung gar nicht so gewirkt“, sagt sie. Für diese Galerie haben sie das komplette Zimmer leergeräumt, clean und steril. Ungewollt ist das Projekt dieser Reihe zu einer Schwarz-Weiß-Ausstellung geworden: schwarz-weiße, grafische Zeichnungen von Anika Ising, einer Münchner Akademie-Studentin, eine Art Schattenbild von Carsten Uhlig, einem Hamburger Künstler. Ein wenig stechen die Holzfiguren auf den Bierkästen als Podeste hervor. „Das fand ich witzig. Als der Künstler die Statuen brachte, hatten weder wir noch er Podeste, dann haben wir uns mit den Bierkästen beholfen.“ Anna findet das lustig, weil der schon recht etablierte Künstler dazu bereit war, etwas Neues, Spontanes mitzumachen. Überhaupt gefällt es ihr, junge Nachwuchskünstler und etablierte, bekanntere Künstler zusammenzubringen. „Die können beide etwas voneinander lernen“, sagt sie.
Ihre zweite Galerie schließt nach 25 Stunden wieder. Sie hat wieder Erfahrungen gesammelt und noch mehr Kontakte geknüpft. Der Selbstständigkeit räumt sie einen großen Stellenwert ein. „Als ich mit fünf nach München kam, hat mein Vater eine eigene Firma gegründet, ich bin damit aufgewachsen“, man stecke dann auch mehr Herzblut in die Sache, meint sie.
In einem Jahr plant sie, ihr Studium zu beenden, dann will sie die Selbstständigkeit weiterführen. „Das Anna25-Projekt will ich unbedingt weiterlaufen lassen.“ Die nächste Ausstellung findet in der Galerie Lots62 in der Schleißheimer Straße 62 statt: am 25. Oktober, 25 Stunden lang.
http://www.sz-jugendseite.de/galeristin-uber-nacht/
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